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Literaturwerkstatt 2015

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Ohne Titel

“Warum immer ich?”, fuhr es mir durch den Kopf, als ich durch die Straße lief.

Es regnete und meine Kleidung, völlig durchnässt, klebte an meinem Körper.

“Immer bin ich diejenige, die verletzt wird. Ich habe auch nur Pech. Aber irgendwann musste es so weit kommen und ich muss mich nun mit meinem Schicksal abfinden.

Dass dies keine leichte Sache wird, war mir von Anfang an klar.

“So so, heute ist also der Tag, an dem das, was ich schon seit Wochen ahnte, passiert ist”, dachte ich, als ich Unterschlupf in einem kleinen Kaffee suchte. Es schien als wäre ich hier der einzige Gast.

Ich hing meine Jacke an der Garderobe auf, was ich sogleich bereute, denn unter dieser bildete sich schnell eine große Pfütze. “Naja, draußen ist ja auch ein Sauwetter.”

Ich ging zu einem Tisch, ich hatte mir einen Platz für vier ausgesucht. Ich mag es einfach viel

Platz zu haben, auch wenn ich nicht viel Platz benötige.

Schnell kam ein Kellner und begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln. “Was darf’s denn sein, junge Dame?” Junge Dame?! Das war gut, er schien selbst erst Anfang zwanzig zu sein. „Einen großes Stück von ihrer Schokoladentorte und einen großen Cappuccino, bitte.” “Ist da jemand etwa traurig?”, fragte er mindestens genauso betrübt wie ich traurig war.

Er tat mir leid. Nur ein Gast und dann noch eine traurige 17-Jährige, aber ich konnte es nun mal nicht ändern. Dinge passieren.

“Schon gut”, erwiderte ich, während ich meine Tränen unterdrückte.

Er ging wieder und während er meine Bestellung vorbereitete, merkte ich, wie er mich immer

wieder ansah. Ich zückte mein Smartphone, um zu schauen, ob ich eine Nachricht erhalten hatte. „Alles Pisser”, fluchte ich verärgert über meine vermeintlichen Freunde, die sich nicht mal in dieser für mich schrecklichen Situation um mich kümmerten.

Der Kellner kam und stellte mir meine Sachen mit einem freundlichen Lächeln hin.

„Ich habe nur einen Cappuccino bestellt…”, sagte ich verdutzt darüber, dass er mir zwei hinstellte. „Das weiß ich. Ich möchte aber auch einen trinken. Mit dir. Was ist los?”

Ich wusste nicht, ob ich ihm trauen sollte, gerade in dieser Situation, in der mich so viele

Menschen verletzt hatten, wollte ich nicht meine Gefühle jemandem offenbaren, den ich gerade zum ersten Mal gesehen hatte.

„Scheiß drauf”, seufzte ich und begann ihm mein Herz auszuschütten.

Ich erzählte stundenlang darüber, wie es dazu kam, dass ich nun hier in diesem Kaffee saß.

„…Ich kann mich auf niemanden mehr verlassen. Alle Heuchler. Meine Freunde, die eigentlich immer für mich da sein sollten, sind pure Enttäuschungen. Niemand ruft mich an und fragt mich , wie’s mir geht, obwohl sie alle wissen, was passiert ist”, ich begann wieder zu schluchzen.

„Komm schon, das Leben ist viel zu schön, um Trübsal zu blasen.“-„Aber ich kann nicht anders. Weißt du eigentlich, wie es ist, wenn dich jeder im Stich lässt und du niemanden mehr hast?,Wenn du dich fühlst, als wäre dir das Herz bei lebendigem Leibe rausgerissen worden? Ich weiß das! Denn ich mache das gerade durch“, sagte ich, während mir die Tränen in die Augen schossen. Ich konnte nicht mehr hier sein, ich wollte nur noch nach Hause. „Der Rest ist für dich“, sagte ich, während ich ihm zehn Euro auf dem Tisch warf.

Ich nahm meine Jacke und ging im strömenden Regen nach Hause.

Zuhause angekommen musste ich mich erst einmal hinlegen, ich konnte diese Qualen nicht mehr ertragen, es war die einzige Möglichkeit , sie wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen.

Schlaf. Das war, was ich brauchte.

Aber auch dieser wurde mir nicht gegönnt. Meine Mutter kam herein und fragte, was mit mir los sei. „Nichts, mach dir keine Sorgen. Ich fühle mich nur nicht so gut!“, erwiderte ich. „Und warum hast du dein Handy in einem Kaffee vergessen? So verpeilt bist du doch sonst auch nicht?!“ Handy? Kaffee? Mist!

Ich musste es vor lauter Aufregung vergessen haben, aber woher wusste meine Mutter das?

„Hä? Woher weißt du das?“

Sie erzählte mir, dass vor einer Stunde ein junger Mann da gewesen sei und mein Handy

vorbeigebracht habe, sie habe ihm einen Finderlohn angeboten, er aber habe mit den Worten: „Passt schon, habe ich gerne gemacht“, abgelehnt. Alles, was er wollte, sei meine

Nummer gewesen.

Ich rief ihn sofort an, um mich dafür zu bedanken, dass er mir mein Handy zurückgebracht hatte.

Wir redeten stundenlang, und ich erzählte ihm alles. Von meiner Vergangenheit und darüber wie das, was am heutigen Tage passiert war, zustande gekommen war.

Er erzählte mir, dass ich ihm sehr leid getan habe und mir, als er mein Handy gesehen habe,

sofort nachgelaufen sei, um es mir zu bringen.

Von dort an trafen wir uns immer öfter und wir wurden beste Freunde.

Zumindest dachte ich dies.

Eines Tages, es war inzwischen Sommer geworden, waren wir verabredet. Wir wollten einen

Freizeitpark besuchen und ich ihm meine Liebe gestehen.

Der Tag fing nicht besonders gut an. Meine Mutter meckerte mich sofort an, da ich eine 6 in

Mathe nach Hause gebracht hatte.

Sie tat das immer. Sie war fixiert auf Leistung. Leistung, das war alles, was bei ihr zählte.

Ihr Interesse galt nicht meinen Gefühlen, sondern meinen Noten, egal, ob ich daran innerlich

zerbrach. „Nun gut“, dachte ich mir, nachdem ich die Standpauke über mich hatte ergehen lassen. Dieser Rückschlag konnte meine Freude dennoch nicht trüben, denn der Gedanke ihn gleich zu treffen und ihm endlich nach so langer Zeit meine Liebe zu gestehen, zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich spürte auch, dass der mich liebte. Meine Liebe schien also erwidert. Je näher der Zeitpunkt unseres Treffens rückte, desto aufgeregter wurde ich. Ich musste an alles denken, was wir bis jetzt zusammen durch gemacht hatten. Die guten und die schlechten Zeiten.

Ich war schon circa eine Stunde früher da, damit ich mir noch einmal den gesamten Ablauf durch den Kopf gehen lassen konnte. Zuerst würden wir Achterbahn fahren, dann Freefall-Tower und auf dem Riesenrad würde ich ihm meine Liebe gestehen.

Nun war der Zeitpunkt gekommen, er kam und ich sah, dass er jemanden dabei hatte. Einen

Freund?

Wie konnte er zu dem Treffen, was das bedeutendste unseres Lebens werden sollte, jemanden mitbringen? „Wer ist das?“, fragte ich enttäuscht. „Das ist Marie, wir sind seit gestern zusammen. Wusstest du das noch nicht? Ich dachte ich hätte es dir erzählt.“

„Nein, das hast du zufälligerweise nicht.“ Ich war wutentbrannt. Mein Zorn stieg mir zu Kopfe und mein Blut kochte. Ich konnte es nicht fassen, dass er keinen blassen Schimmer hatte, was er da mit mir machte. Er zerstörte alles, was ich hatte. Alles woran ich glaubte.

Mein Antrieb, unsere Liebe, war erloschen. Ich ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen „Nur keine Schwäche zeigen“, murmelte ich in mich hinein, während ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken. In sicherer Entfernung suchte ich eine Apotheke auf. Meine Kopfschmerzen waren unvorstellbar. „Eine Schachtel Paracetamol.“ „Hier bitte, aber nehmen sie maximal drei täglich.“ Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich die Schachtel und ging in einen Park.

Auf einer Bank kam ich schließlich zur Ruhe. Ich konnte das nicht mehr. Ich musste mit

jemandem reden. Aber niemand war für mich da. Ich war so enttäuscht. Nur von wem?

Die Antwort war eindeutig. Ich war enttäuscht von mir. Und so öffnete ich die Schachtel und nahm langsam alle enthaltenen Tabletten. Spürend wie ich immer müder wurde, legte ich mich auf die Bank. Das letzte, was ich mitbekam, war, dass mich eine Passantin versuchte wachzurütteln.

Mit meinem letzten Atemzug entschwand nicht nur das Leben in mir, sondern auch meine Hoffnung.

Florian Fritz (Q2)

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